Ist die Übergabe einer Visitenkarte eine konkludente Zustimmung zum Erhalt von Werbung?

Beitrag verfasst von Dr. Rainer Knyrim und Mag. Stephan Varga, BSc – KTR-Newsletter Dezember 2023

Eine der häufigsten Fragen, die bei Einführung der DSGVO in Datenschutz-Seminaren gestellt wurde, war, ob man die E-Mail-Adresse auf einer Visitkarte, die man auf einer Messe erhalten hat, in seinen Marketing-Verteiler geben kann. Meine damalige Empfehlung verrate ich Ihnen am Ende dieses Beitrags, zunächst berichten wir Ihnen aber, wie das Bundesverwaltungsgerichts (BVwG W157 2262141-1) genau diese Frage entschied.

Sachverhalt war, dass der spätere Empfänger einer Werbe-E-Mail einem Geschäftsführer des Unternehmens des Beschwerdeführers seine Visitenkarte überreichte, auf der handschriftlich seine E-Mail-Adresse notiert war. Er erhielt in weiterer Folge eine Werbe-E-Mail dieses Unternehmens. Eine aufrechte Kundenbeziehung zum Unternehmen bestand nicht, eine Ablehnungsmöglichkeit zum Erhalt von Werbe-E-Mails war nur in einer Anlage zur E-Mail, nicht in der E-Mail selbst enthalten. Ein System zur Überprüfung des Vorliegens einer Einwilligung zum Erhalt von E-Mails zu Werbezwecken war im Unternehmen des Beschwerdeführers nicht eingerichtet.

Laut BVwG kann eine konkludente Einwilligung nur angenommen werden, wenn eine Handlung eindeutig zu verstehen ist und es keinen vernünftigen Grund zu Zweifeln gibt, dass ein bestimmtes Verhalten nur als Einwilligung gedeutet werden kann. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die bloße Kontaktaufnahme auf einer Messe oder ähnlichen Veranstaltung bewirkt keine solche Einwilligung, auch bloßes Schweigen kann nicht als konkludente Zustimmung gewertet werden. Auch die Übergabe einer Visitenkarte, ob auf einer Messe oder bei einer anderen Gelegenheit, ist ohne das Vorliegen weiterer Begleitumstände keine konkludente Einwilligung zum Erhalt einer Werbe-E-Mail, selbst wenn auf dieser handschriftlich eine E-Mail-Adresse festgehalten ist.

Das TKG sieht vor, dass eine Zusendung elektronischer Post ohne vorherige Einwilligung des Empfängers unzulässig ist, wenn die Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung erfolgt und keine aufrechte Kundenbeziehung besteht.

Was aber war – und ist auch heute noch – meine Antwort zu diesem Sachverhalt? Ganz einfach: Es ist nicht verboten, denjenigen, der einem eine Visitkarte überreicht, zu fragen, ob man ihn auf den Werbeverteiler setzen dürfte. Ein solches Vorgehen ist nicht nur ein Akt der Höflichkeit, sondern schafft auch eine explizite Rechtsgrundlage. Eine mündliche Einwilligung ist nämlich zulässig. Aber: Wichtig ist, die Einwilligung zu dokumentieren.

Erster Schritt dazu wäre, diese selbst direkt auf der Visitenkarte zu vermerken, als zweiten Schritt sollte man gleich nach der Messe eine (standardisierte) E-Mail an die Person senden, in der man sich auf die Einwilligung bezieht und die Aufnahme in den E-Mail-Verteiler ankündigt. Dabei sollte nochmals eine Opt-Out-Möglichkeit gegeben werden. Erst wenn dagegen binnen angemessener Frist kein Widerspruch erfolgt ist, sollte die Person in den Werbeverteiler aufgenommen werden.

Es gibt auch andere Optionen wie die Einholung von Kontaktdaten und Zustimmung über ein Pad oder eine Sammelbox. Wichtig ist dabei stets, dass der Interessent/die Interessentin unbedingt vor Ort auch eine vollständige Datenschutzinformation erhält bzw. lesen kann.

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